Montag, 28. Juli 2014

Linien des Zorns oder: wie ein Lächeln zum Problem wurde

Sie zieht die Augenbrauen zusammen und nähert sich meinem Gesicht. So nah, dass ich die Luft spüre, die aus ihrer Nase kommt.

"Also ich will Dir ja nicht zu nahe treten" sagt sie "aber Du hast ja eine Zornesfalte!" Besagte Zornesfalte war mir nie aufgefallen, befindet sich aber wohl zwischen meinen Augenbrauen. Im Anschluss höre ich einen Vortrag über Gifte und Gele, die mit Spritzen dieses Problem beheben sollen, das bisher keins war. Ich habe Probleme. Zum Beispiel das Minus auf meinem Konto, das ich sicher nicht für eine Spritze in meine Stirn vergrößern werde. "Dann iss doch weniger" stellt die nahe "Freundin" fest, denn immerhin sei es ja das Aussehen, um das es gehe.

Nachdem ich im Zug vier Stunden Zeit hatte, besagtes Problem in jedem Spiegel zu betrachten, der mir begegnete, hat sich die Information: 'Linien des Zorns auf der Stirn sind ein Problem' so tief in meine angegriffenen Synapsen gebrannt, dass ich tags darauf ein Fachgeschäft aufsuche, das eine Creme führt, die der Stirn zu Leibe rückt.

"Ich habe eine Zornesfalte" beichte ich der Verkäuferin, die daraufhin ihre Lesebrille aufsetzt, die Augenbrauen zusammenzieht und sich meiner Stirn nähert. Auch ihren Atem spüre ich, als sie feststellt, dass meine Stirn nicht mein einziges Problem ist, sondern überdies meine Wangen schlaff sind und sich Linien zwischen Mund und Nase zeigen. Diese hatte ich bislang für ein Ergebnis ausschweifenden Gelächters gehalten, aber muss eines Besseren belehrt werden. "Solange Sie" und ihr manikürter Finger zeigt auf mich "nicht an Ihrer Mimik arbeiten, kann ich hier kaum etwas machen!" Gleichwohl stellt sie mir einen Produktcocktail zusammen, der dem Preis nach nicht nur Falten bekämpfen sondern mindestens Orgasmen auslösen sollte. Dies verschweige ich. Den Kontostand im Blick verspreche ich, an meiner Mimik zu arbeiten und morgen mit Ablassgeld wiederzukommen.

Zu Hause kneife ich mein Gesicht so fest zusammen wie es geht und brülle mein Spiegelbild mit geschlossenen Augen an. Ich bin wütend auf meine Freundin, auf die Bilder all dieser Frauen, die bis 80 ohne eine Linie im Gesicht herumlaufen wollen. Ich bin wütend darauf, dass mit diesem Wunsch so viel Geld verbraucht wird, das anderswo besser eingesetzt wäre. Ich bin zornig auf so Vieles und habe ein Recht auf Linien des Zorns, egal wo sie an meinem Körper zu sehen sind. Linien des Zorns sind noch das Mindeste. Ich brülle aus Verzweiflung, denn ich habe das Gefühl, mittendrin zu sein, in diesem Strudel aus Scheiße. Als ich die Augen öffne, ist die Falte verschwunden.

Montag, 14. Juli 2014

Gute Mütter

"Kopfschmerzen hatte sie vor allem in der siebten, das war schlimm. Die siebte Klasse war bisher die anstrengendste." Mutter 1 trinkt einen Schluck Macchiato.

"Meine hat einen Tick entwickelt. Die Pauline wäscht sich bestimmt 30 mal am Tag die Hände und fasst nix mehr an. Ich glaub, des is die Psyche. Ja. Die Psyche." Mutter 2 rührt um.

Ich beginne, ein Interesse am Gespräch zu entwickeln und höre genauer hin. Zwei Mütter tauschen sich aus und berichten über Belastungen des Schulalltages. Sie tun mir ein bisschen Leid, denn sie geben sich viel Verantwortung und gleichen Erziehungsstile ab. Von Vätern ist bislang nicht die Rede.

"Aber Du, diese Geburtstagsfeier mit Übernachtung vor zwei Wochen, durfte die Enie da hin? Ich mein, die sollten High Heels tragen. Da hab ich gesagt, des geht ned. Da darfst Du nicht hin. Ich mein, was sind des denn für Eltern. Kennst Du die?"

Mutter 2 grübelt. "Aaach, doch. Die sind eigentlich ganz patent. So. Ich mein, die sind getrennt, halt."
Mutter 1 bemerkt mit wissendem Blick auf den breiten Ehering "Ach soooo!"

Ich stehe auf und zahle.