Dienstag, 18. August 2015

Schleuser und Innenminister

Disclaimer: ich will hier echt nicht den Till-Schweiger machen, aber...

Ich sehe nicht oft Nachrichten im Fernsehen, aber gestern war es so weit. Begleitet von einem hoch seriösen Sprecher eines öffentlich-rechtlichen Senders wurden erst Bilder von Kos gezeigt. Fliehende Familien, die auf der Insel festsitzen, kein Geld mehr haben und keine Überfahrt genehmigt bekommen. Die Bildsprache war eindeutig: Die Kamera hielt lange auf ein kleines Mädchen, das orientierungslos auf dem Steg stand. Danach kam eine Berichterstattung über so genannte "Schleuser", die fliehende Gruppen von Menschen an Autbahnraststätten absetzen und deren Tätigkeit dringend eingeschränkt werden müsse, da auch die deutsche Bundespolizei überfordert sei (Bildsprache: Familien mit Mädchen hinter Bauzäunen, auf Autobahnen, Polizisten von hinten, damit man das "Polizei"-Logo sieht). Man müsse durch die Einschränkung der Tätigkeiten der Fluchthelfer klarmachen (so der bayerische Innenminister - Bildsprache: Antischleuser), dass die Familie ihr Geld in "Schleuserbanden" "falsch investieren".

Es wurden - wie in den Nachrichten üblich - keine Zusammenhänge zwischen der Geschichte von Kos (Menschen kommen nicht weiter wegen behördlicher Hürden) und den Fluchthelfern (die auf nicht-behördlichem Weg und vermutlich in der Tat für viel Geld und unter schlechten Bedingungen die Flucht unterstützen) hergestellt. Die schmerzhafte Ironie wuchs auf ihr Maximum, als dann ein Beitrag kam, der zeigte, wie in Syrien mehrere Menschen durch einen Bombenanschlag getötet wurden (Bild: zerstörter Platz).

Weder fühlte sich der seriöse Sprecher oder irgendjemand der Redaktion bemüssigt, die Meldungen in einen Zusammenhang zu bringen. Um mein ständiges Mit-der-Hand-an-die-Stirn-Schlagen nicht noch zu verlängern kam dann Wetter oder Fußball oder Lottozahlen, was weiß ich.

Wir drehen hypothetisch mal die Reihenfolge um (im Sendung-mit-der-Maus-Modus): In Syrien (oder einem anderen Land, aus dem Menschen fliehen wollen) ist die Lage ziemlich unsicher, weil man damit rechnen muss, erschossen zu werden. Also fliehen Menschen und stoßen dabei auf Hürden (z.B. das Mittelmeer oder Zäune). Um diese Hürden zu überwinden, zahlen sie Geld an Personen ("Schleuserbanden" genannt), die ihnen versprechen, dass sie sie über das Mittelmeer bringen. Das ist keine Investition sondern Überlebenswille.

Da braucht man gar keinen Innenminister zu fragen, das erklärt sich dann ganz von allein.