Montag, 13. Juli 2015

Ausländer-Ich

Wir reden über Hamburg. Sie redet, weil ich entweder Ultraschall, Sandstrahler oder Sauger im Mund habe. Meine professionelle Zahnreinigerin ist sehr professionell, redet aber auch gern, vor allem, um mich abzulenken. Das gelingt ihr, als sie einen Satz beginnt, der zurzeit ziemlich populär ist: "Also ich bin ja keine Rassistin oder so..." Es kommt, was kommen muss. Ich versuche, "doch" zu sagen, aber es kommt nur ein "gnä". Sie fährt fort: "...aber in der U-Bahn in Hamburg, da sieht man ja keine Deutschen mehr. Da bin ich die einzige. Da fühl ich mich nicht wohl. Da sieht man keinen Stefan und Andreas mehr" sagt sie und kratzt am Zahn "nur noch Ali und Muhammed. Und in Berlin ist das genauso" knirscht sie an meinem Zahnhals entlang. Ich antworte: "ngnää!"

Eine kurze Gerätepause nutzend platze ich heraus: "Also ich bin ja aus Berlin und ich bin Ausländerin. Ich schätze das sehr." Sie greift zum Sauger. Ich denke, dass das jetzt komisch ankommt, dass ich das sehr schätze. Was denn? Dass ich "Ausländerin" bin? Dass es in der U-Bahn so viele "Ausländer" gibt und keine Stefans und Andreasse? Meine Schlagfertigkeit hat offenbar ihren Höhepunkt erreicht, wenn mich jemand mit dem Ultraschall bedroht. Ich überlege, wie ich das klären kann und....Zack! habe ich den Sauger im Mund und bin wieder mundtot.

Ich kralle die Nägel in die Handfläche und schlucke Schaum. Sie gibt nicht auf: "Hier in München, da hat man eine gute Mischung, von allem etwas! So muss das sein." "Hnnnngn" gebe ich auf. Ich schäme mich, dass ich die "Migrationskarte" gespielt habe und ich bin sauer, dass ich nicht einfach aufgestanden und gegangen bin.

Ich spüle mir brav den Mund sauber, lasse mich tupfen und mit Fluorid bepinseln und mir zeigen, wie ich das alles richtig mache mit der Prophylaxe. Wie ich blöden Rassismussprüchen vorbeugen kann hab ich leider nicht gelernt.