Samstag, 28. Februar 2015

Auch das geht vorüber

Der Winter ist trüb und schlägt mir langsam aufs Gemüt. Mir ist kalt, mir fehlt Sonne. Freund D erzählt von Tageslichtlampe und Vitamin D in Tablettenform. Ich will fröhlicher sein und gehe ich einen Drogerieladen, um wenigstens Tabletten zu kaufen. Vor dem Regal mit Nahrungsergänzung finde ich Lösungen für alles: Haare, Haut, Nägel, Haare-Haut-Nägel, Knochen, Frauen, Männer, Schwangerschaft, Schlafen und Wachen. Es gibt Vitamine für jede Lebenslage, sogar Schlaumachvitamine für Kinder (kein Witz - ich dachte immer, da hilft Bildung, aber wer weiß das schon). Vitamin D gibt es in verschiedenen Darreichungsformen und ich frage deshalb die im Vitaminregal tätige Mitarbeiterin. "Sagen Sie, dieses Vitamin, das bei Lichtmangel hilft - D - welches nimmt man denn da?" frage ich. Die Mitarbeiterin räumt Schachteln und zeigt auf die verschiedenen Packungen und reicht mir dann die mit der höchsten Dosierung. "Kann man das denn überdosieren?" will ich wissen.

"Können Sie schon. Aber eigentlich brauchen Sie sowieso keine Extravitamine" antwortet die Verkäuferin. Ich bin irritiert. Mit großer Energie räumt sie weitere Röhrchen herum und sagt: "wenn Ihnen die Sonne fehlt, sind Sie halt ein bisschen depressiv - na und? Dann sind Sie eben schlecht gelaunt. Das geht vorüber, wenn der Winter vorbei ist."

Sie schweigt und guckt fast wie ein Guru. Ich bin geneigt ihr noch ein paar Fragen über das Leben zu stellen,
bedanke mich aber nur höflich. Auf dem Weg zur U-Bahn mit leeren Taschen bin ich dankbar, dass die Verkäuferin ehrlich war. Der Himmel reißt auf, ich gehe die Treppe runter und halte dabei die Nase kurz in die Sonne. Bald ist Frühling. Darauf freue ich mich. 

Mittwoch, 18. Februar 2015

Tanzen und Schweigen

Ich tanze Tango und ich tanze gern. Es gibt Regeln beim Tango, die etwas antiquiert erscheinen, so wird frau auf der Milonga von einem Mann durch Blickkontakt aufgefordert und senkt den Blick, um eine Ablehnung zu signalisieren. Da auf den meisten  (hetero-)Milongas (Tanzveranstaltungen) mehr Frauen als Männer sind, müssen sich die wenigsten Männer um Mangel an zurückschauenden Partnerinnen sorgen, die meisten Frauen kommen mit tanzendem Partner, sofern verfügbar oder riskieren es, einen Abend sitzen zu bleiben. Aufgrund der ständig notwendigen Aufmerksamkeit, die nötig ist, um einen Blick nicht zu verpassen, unterhalten sich viele Frauen nicht mit anderen Frauen. Kommt ein Gespräch zustande, kann es durch Tanz-Blick-Aufforderung unterbrochen werden. Wer noch niemanden in der "Szene" kennt, sollte sich möglichst schick kleiden, um aufzufallen und möglichst zu Beginn mit einem guten Partner tanzen, damit die anderen potenziellen Tänzer nicht abgeschreckt werden.

Ich hatte bislang gedacht, all das ist ein, zugegeben ziemlich patriarchales, Spiel, das alle durchschauen und notwendigerweise mitspielen. Bis ich an einer Online-Diskussion zu ebendieser Aufforderungspraxis teilgenommen habe. Dort wurde mir klar, dass zahlreiche (hetero)-Männer sich tatsächlich als Ritter/Prinzen begreifen, dass sie Frauen als Damen sehen, die Benimm zollen sollten und dass Frauen, die sich nicht an Regeln halten, als "etwas" bezeichnet werden. Ich bin nicht mehr sicher, dass das Ausbleiben von Gesprächen bei Milongas nicht doch die bessere Option ist. So tanze ich und schweige.

Dienstag, 3. Februar 2015

Lächeln und Schweigen

"Haben Sie Kinder?" fragt der Orthopäde. Ich verneine freundlich. Er blickt auf den Anamnesebogen, dann kritisch auf mich: "Aber Kinder sind schon bald geplant!" Ich überlege, ihm zu erläutern, dass es auch in meinem Alter andere Lebenspläne als Kinder gibt, entscheide dann aber, dass ihn das nichts angeht. Ich schüttele nur den Kopf. "Wissen Sie, dann sollten wir die Operation schon bald machen, wenn Sie Kinder wollen." Ich schweige und versuche, weiterhin freundlich zu lächeln, während ich sage, dass ich in den nächsten Jahren keine Kinder haben werde, die zeitliche Planung der Operation also nicht mit Fortpflanzungswünschen abgestimmt werden müsse.

Er guckt auf meine Füße, dann auf das Röntgenbild, dann auf mich, "ich denke, wir sollten bald operieren, denn wenn der Traumprinz kommt und Sie dann sagen, Sie wollen fünf Kinder und das am besten sofort, dann ist es zeitlich schon schwierig." Wieder überlege ich, ob ich ihn über meinen Beziehungsstatus aufklären soll, ob ich sagen soll, was ich von Männern im Traum halte oder auch, dass ich dem Grunde nach nur ungern etwas mit einem Prinzen anfangen möchte, verlege mich aber auf Lächeln und Schweigen, denn das bringt Prinzessinnen ja auch weiter.

Zu Hause beiße ich in einen Apfel und lege mich in meinen gläsernen Sarg.