Dienstag, 30. Juli 2019

Auf dem Weg zur Stärke

Ich muss etwas tun. Für meinen Rücken. Auch für und gegen andere Dinge, aber jetzt erstmal Rücken. Der Rücken soll mehr Muskeln haben, die ihn stärken. Sport muss her. In Ballsportarten bin ich eher unbegabt und werde immer als letzte ins Team gewählt. Insofern sollte es was ohne Bälle sein.

Gemäß meiner Lebenssituation (Alter, Geschlecht) denke ich natürlich an Yoga - vor meinem inneren Auge hülle ich mich mit 65 in cremefarbenen Strick und sage auf die Frage, wie ich es schaffe, noch immer so fit zu sein, dass ich seit zwanzig Jahren jeden Morgen eine Stunde Yoga mache. Dabei leuchten meine Augen erleuchtet und ich habe die Physis eines älteren Jaguars. Wenn das noch was werden soll muss ich jetzt anfangen. Und außerdem: der Rücken.

Zum Glück habe ich vom 30-Tage-Youtube-Yoga 5 Tage in 40 Tagen erfolgreich absolviert - ich bin also quasi fortgeschritten. Im Studio ist der Boden aus dunklem Holz, es duftet und alle bekommen eine eigene Matte. Eine Buddha-Figur verspricht auch was für den Geist und ich denke, ich bin hier richtig. Den Raum betritt neben den gazelligen Mityoginas ein sehr nett aussehender Yogalehrer, der sehr ruhig ist und wir alle atmen erstmal. Läuft. Atmen kann ich. Bei diversen herabschauenden Hunden fühle ich mich super, ich schaue auf die Matte und meine Hände sind stark. Im Anschluss wechseln wir in die Dehnung der Beinrückseiten. Als die Lululemons wie Schwäne herabsinken bin ich eher eine Badeeente und berühre wohlwollend meine Knie. Bei Yoga geht es nur um Dich, sagt der Lehrer und schaut mich nicht an.

Es werden Kröten geübt (oder Krähen?... in jedem Fall verheddere ich mich). Wir gehen über in Kröte zwei. Aber wer Kröte zwei noch nicht kann, kann auch in Kröte eins bleiben. Wichtig ist, dass Du atmest. Der Lehrer sagt mit Blick auf mich, dass es auch okay ist, wenn Du einfach machst, wobei Du Dich wohlfühlst. Ich setze mich auf die Matte. Am besten gefällt mir die Schlusspose. Da liegt man auf dem Rücken und deckt sich zu. Ich überlege, ob es vielleicht einfach reicht, cremefarbenen Strick zu tragen. Yoga läuft nicht so bei mir. Für den Rücken brauche ich was anderes.

Ich recherchiere Fitnessstudios und stoße auf Boutique-Fitness. Boutique klingt klein und fein und so, als wäre für jede was dabei. Nur Frauen sind dort und es geht vor allem um eins: um Dich. Das kommt mir bekannt vor. Egal. Ich buche eine Probestunde und komme an. Alles weiß hier und auf englisch. Ich fühle mich international und denke, hier bin ich richtig. Am Eingang weist mich ein Schild darauf hin, dass es sich hier um ein Elite-Studio handelt. Ein weiteres Schild wirbt für den Kurs wo ich eine Jeansgröße verliere und Fett verbrenne. Jetzt bin ich nicht mehr so sicher, weil ich will ja nur was für meinen Rücken tun. Ich muss da jetzt durch. Die Übungen finden an Stangen statt und sind auf jeden Fall ohne Bälle. Im Raum läuft Elektromusik, viele Frauen sitzen herum und warten. Als die Lehrerin reinkommt ruft sie, wer will hier den perfekte Bikini-Body?! Alle rufen yeah, ich will die Hand heben wie Hermione Granger und sagen: Aber ich will nur was für meinen Rücken tun. Wirklich. Ich bin body positive und Feministin. Die Lehrerin will davon nichts wissen. "Heute die Bälle" ruft sie. Ok. Ich bin raus (siehe oben).

 Old School Hip Hop - das klingt nach der perfekten Mischung aus Rücken und Spaß. Ich bin dabei. Alle wippen und bouncen, die Musik ist super. Ich habe Spaß. Der Lehrer ruft nur ab und zu, dass wir alle richtig locker werden sollen. Locker kann ich. Hier bin ich richtig. Die Frauen um mich herum sind meine Schwestern und wir bouncen fröhlich herum. In der Trinkpause (super, oder?) macht der Lehrer die Musik aus. Er erzählt von seinen "schwarzen" Freunden und dass er deshalb auch alle Witze machen darf. Er erzählt von Witzen und macht auch welche, die alle entweder sexistisch oder rassistisch sind oder beides. Dann sagt er, dass man ja heute immer politisch korrekt sein muss und ob hier jetzt jemand die Polizei sein will. Ich will schon, aber meine Schwestern lachen alle. Ich bin raus. Fortsetzung folgt.