Mittwoch, 18. Februar 2015

Tanzen und Schweigen

Ich tanze Tango und ich tanze gern. Es gibt Regeln beim Tango, die etwas antiquiert erscheinen, so wird frau auf der Milonga von einem Mann durch Blickkontakt aufgefordert und senkt den Blick, um eine Ablehnung zu signalisieren. Da auf den meisten  (hetero-)Milongas (Tanzveranstaltungen) mehr Frauen als Männer sind, müssen sich die wenigsten Männer um Mangel an zurückschauenden Partnerinnen sorgen, die meisten Frauen kommen mit tanzendem Partner, sofern verfügbar oder riskieren es, einen Abend sitzen zu bleiben. Aufgrund der ständig notwendigen Aufmerksamkeit, die nötig ist, um einen Blick nicht zu verpassen, unterhalten sich viele Frauen nicht mit anderen Frauen. Kommt ein Gespräch zustande, kann es durch Tanz-Blick-Aufforderung unterbrochen werden. Wer noch niemanden in der "Szene" kennt, sollte sich möglichst schick kleiden, um aufzufallen und möglichst zu Beginn mit einem guten Partner tanzen, damit die anderen potenziellen Tänzer nicht abgeschreckt werden.

Ich hatte bislang gedacht, all das ist ein, zugegeben ziemlich patriarchales, Spiel, das alle durchschauen und notwendigerweise mitspielen. Bis ich an einer Online-Diskussion zu ebendieser Aufforderungspraxis teilgenommen habe. Dort wurde mir klar, dass zahlreiche (hetero)-Männer sich tatsächlich als Ritter/Prinzen begreifen, dass sie Frauen als Damen sehen, die Benimm zollen sollten und dass Frauen, die sich nicht an Regeln halten, als "etwas" bezeichnet werden. Ich bin nicht mehr sicher, dass das Ausbleiben von Gesprächen bei Milongas nicht doch die bessere Option ist. So tanze ich und schweige.

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