In einem Interview mit der Zeit sagt Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Volhard, Nobelpreisträgern und Gründerin einer Stiftung zur Unterstützung junger Wissenschaftlerinnen mit Kindern, dass Frauen erstens vermutlich zu wenig ehrgeizig seien, um eine Wissenschaftlerinnen-Karriere zu verfolgen. Zweitens sollten sie nicht so zimperlich sein, sich durchsetzen und weniger vor dem Spiegel herumstehen. Ich habe ziemlich lange (also etwa 6 Tage) über dieses Interview nachgedacht und schwankte zwischen Wut und Zustimmung.
Die Wut ist verraucht. Und angesichts des biografischen Hintergrunds von Fr. Prof. Dr. Nüsslein-Volhard erscheint mir nachvollziehbar, dass sie ihre Wissenschaftlerinnenkarriere unter diesen Prämissen durchgezogen hat. Dass man nicht erwarten könne, neben der Wissenschaft auch noch eine "hundertprozentig gute Mutter und supergepflegte Ehefrau" zu sein, würde ich teilen. Was mir aber fehlt, ist das grundsätzliche Mitdenken, dass die meisten Wissenschaftskarrieren in Umfeldern stattfinden, die tradiert männliche Erwerbsbiografien voraussetzen - verheiratet mit nicht arbeitender Ehefrau und freiem Rücken.Und dass es auch ohne Wissenschaft nicht sein muss mit den hundert Prozent und supergepflegt.
Was mir auch fehlt, ist die Reflektion, dass Frauen eben doch nach ihrem Aussehen beurteilt werden. Eine Frauenzeitschrift schreibt kurz vor dem Equal-Pay-Day Tipps für seriöses Büro-Make-Up. Das Foto von Nüsslein-Volhard auf der Homepage der Max-Planck-Gesellschaft zeigt sie mit Lippenstift und "supergepflegt". Ich bezweifle auch grundsätzlich, dass die An- oder Abwesenheit von Wimperntusche und die Auftragezeit vor dem Spiegel (probiert das mal ohne Spiegel!!!) über den Erfolg in der Wissenschaft entscheidet. Es entscheiden zurzeit überwiegend Qualität, Kontakte, Ergebnisse, Relevanz und ein paar andere Dinge. Die werden aber noch immer vielfach von Personen entschieden, bei denen es mit Gleichstellung nicht so weit her ist. Die von einer Frau was anderes erwarten als von einem Mann. Zum Beispiel, dass erstere Lippenstift trägt und letzterer nicht. Und ein paar andere Dinge. Echte Gleichberechtigung in der Wissenschaft und in anderen zeit- und energiekonsumierenden Karrieren wäre doch dann erreicht, wenn es okay ist, dass man private Verpflichtungen hat und wenn es okay ist, mit oder ohne Schminke zu kommen - als Mann oder als Frau. Ich jedenfalls bin nur dann zimperlich, wenn es um Spinnen geht.
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