Mittwoch, 3. April 2013

gefühlte Wahrheit

Über ein Jahr ist es her und trotzdem ist es heute wieder passiert. Ich stehe am U-Bahnhof Fraunhofer Straße und er steht mit dem Rücken zu mir. Anderes Ende des Bahnsteigs. Gleicher Mantel, gleiche Tasche, hochgezogene Schultern, schmal. Ich kriege Herzklopfen, sehe weg. Die Gedanken fliegen: hingehen? Hallo sagen? Wegsehen? Warten bis er einsteigt? Beherzter Sprung hinter die gelb gekachelte Säule? Ist er allein? Wo kommt er her?

Ich sehe nochmal hin. Er hat sich umgedreht. Trägt einen Bart und hat keine Brille. Seine Nase ist anders und alles. Eigentlich ist er gar nicht schmal und der Mantel ist aus Wolle. Die Bahn fährt ein. Ich überlege, ob das ewig so weitergehen wird. Warum ich noch immer nach ihm suche.

Einerseits gibt mir dieser Schock jedes Mal das Gefühl, dass er der einzig Richtige war. Ich kann mich in der Angst ergehen, niemanden mehr zu finden und gleichzeitig in der romantischen Vorstellung, einmal die große, unerfüllte Liebe gefunden zu haben. Ohne die gäbe es immerhin keine Popmusik. Purple Rain wäre nie geschrieben worden. Andererseits scheint mir, dass diese Umklammerung der einzigen Wahrheit auch der einzige Weg ist, die Ungewissheit drumherum auszuhalten. Die Sinnlosigkeit der Aufrisse, die Verletzungen von Scheißtypen (Entschuldigung, aber die gibt es wirklich). Solange ich mich daran festhalten kann, dass es den Einen gab, der anders war kann ich weitermachen.

Wenn ich aber ganz ehrlich bin, hat genau der Eine mich mehr verletzt als 20 Scheißtypen es könnten. Was ist also wahr an dieser einen Wahrheit?

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