Freitag, 3. April 2020

GNTM Hass: Warum Lijana die eigentliche Heldin der Sendung ist

Aktuell läuft die 15. Staffel Germany's Next Topmodel und geneigten Zuschauer*innen dürfte nicht entgangen sein, dass es eine neue Hassfigur gibt. Lijana ist 23 und fällt durch ein Verhalten auf, das man wohlwollend als das einer "Streberin" bezeichnen könnte. Sie hat offensichtlich alle vergangenen Staffeln in Wiederholungsschleife gesehen und kann alle (wirklich alle) Äußerungen von Heidi Klum in kondensierter Form wiedergeben.

Genaugenommen könnte sie HK ersetzen, denn sie bringt die mit den Jahren verweichlichten Sätze einer Klum mit der Härte hervor, die nur Medienunerfahrene in dieser Klarheit sagen können. Lijana weiß genauestens, worum es geht: um Anstrengen, Allesgeben, Dasbesteaussichherausholen, Andereabhängen. All die neoliberalen scheinmeritokratischen Weisheiten, die Castingshows versprechen, gibt Lijana wieder und das aus dem EffEff. Es mag naiv sein, dass sie all ihre Botschaften ungefiltert in die Kamera plappert und damit offenbart, dass sie den wesentlichen Aspekt des Reality-TVs noch nicht durchschaut hat. Es geht nämlich eigentlich nur um Sympathie. Aber woher soll sie das wissen und woher soll sie wissen, dass vermutlich all die Stellen, wo sie Menschlichkeit gezeigt hat, herausgeschnitten wurden? Wer kann das erwarten?

In einem anderen Sendeformat wäre dieses Besserwissen sogar positiv. Wir denken an Die Höhle der Löwen. Carsten Maschmeyer, wahrlich nicht der wirtschaftlich erfolgreichste "Unternehmer" gibt zu allen Vorschlägen ein hakeliges Bonmot zum besten: Lashes sind ihm zu lasch, für Holzkohle brennt er nicht. Lijana ist im Grunde Carsten Maschmeyer im Körper eines 23-jährigen Mädchens, der sich in eine Modelcastingshow verirrt hat. Wer möchte einen desorientierten älteren Unternehmer dafür hassen? Nein, man muss Lijana befreien: Sie würde sich erst dann voll entfalten, wenn sie in 20 Jahren bei QVC Antifalten-Cremes anpreisen dürfte (Pun intended).  Und dafür, bitte, ist GNTM doch das beste Sprungbrett.

Dienstag, 30. Juli 2019

Auf dem Weg zur Stärke

Ich muss etwas tun. Für meinen Rücken. Auch für und gegen andere Dinge, aber jetzt erstmal Rücken. Der Rücken soll mehr Muskeln haben, die ihn stärken. Sport muss her. In Ballsportarten bin ich eher unbegabt und werde immer als letzte ins Team gewählt. Insofern sollte es was ohne Bälle sein.

Gemäß meiner Lebenssituation (Alter, Geschlecht) denke ich natürlich an Yoga - vor meinem inneren Auge hülle ich mich mit 65 in cremefarbenen Strick und sage auf die Frage, wie ich es schaffe, noch immer so fit zu sein, dass ich seit zwanzig Jahren jeden Morgen eine Stunde Yoga mache. Dabei leuchten meine Augen erleuchtet und ich habe die Physis eines älteren Jaguars. Wenn das noch was werden soll muss ich jetzt anfangen. Und außerdem: der Rücken.

Zum Glück habe ich vom 30-Tage-Youtube-Yoga 5 Tage in 40 Tagen erfolgreich absolviert - ich bin also quasi fortgeschritten. Im Studio ist der Boden aus dunklem Holz, es duftet und alle bekommen eine eigene Matte. Eine Buddha-Figur verspricht auch was für den Geist und ich denke, ich bin hier richtig. Den Raum betritt neben den gazelligen Mityoginas ein sehr nett aussehender Yogalehrer, der sehr ruhig ist und wir alle atmen erstmal. Läuft. Atmen kann ich. Bei diversen herabschauenden Hunden fühle ich mich super, ich schaue auf die Matte und meine Hände sind stark. Im Anschluss wechseln wir in die Dehnung der Beinrückseiten. Als die Lululemons wie Schwäne herabsinken bin ich eher eine Badeeente und berühre wohlwollend meine Knie. Bei Yoga geht es nur um Dich, sagt der Lehrer und schaut mich nicht an.

Es werden Kröten geübt (oder Krähen?... in jedem Fall verheddere ich mich). Wir gehen über in Kröte zwei. Aber wer Kröte zwei noch nicht kann, kann auch in Kröte eins bleiben. Wichtig ist, dass Du atmest. Der Lehrer sagt mit Blick auf mich, dass es auch okay ist, wenn Du einfach machst, wobei Du Dich wohlfühlst. Ich setze mich auf die Matte. Am besten gefällt mir die Schlusspose. Da liegt man auf dem Rücken und deckt sich zu. Ich überlege, ob es vielleicht einfach reicht, cremefarbenen Strick zu tragen. Yoga läuft nicht so bei mir. Für den Rücken brauche ich was anderes.

Ich recherchiere Fitnessstudios und stoße auf Boutique-Fitness. Boutique klingt klein und fein und so, als wäre für jede was dabei. Nur Frauen sind dort und es geht vor allem um eins: um Dich. Das kommt mir bekannt vor. Egal. Ich buche eine Probestunde und komme an. Alles weiß hier und auf englisch. Ich fühle mich international und denke, hier bin ich richtig. Am Eingang weist mich ein Schild darauf hin, dass es sich hier um ein Elite-Studio handelt. Ein weiteres Schild wirbt für den Kurs wo ich eine Jeansgröße verliere und Fett verbrenne. Jetzt bin ich nicht mehr so sicher, weil ich will ja nur was für meinen Rücken tun. Ich muss da jetzt durch. Die Übungen finden an Stangen statt und sind auf jeden Fall ohne Bälle. Im Raum läuft Elektromusik, viele Frauen sitzen herum und warten. Als die Lehrerin reinkommt ruft sie, wer will hier den perfekte Bikini-Body?! Alle rufen yeah, ich will die Hand heben wie Hermione Granger und sagen: Aber ich will nur was für meinen Rücken tun. Wirklich. Ich bin body positive und Feministin. Die Lehrerin will davon nichts wissen. "Heute die Bälle" ruft sie. Ok. Ich bin raus (siehe oben).

 Old School Hip Hop - das klingt nach der perfekten Mischung aus Rücken und Spaß. Ich bin dabei. Alle wippen und bouncen, die Musik ist super. Ich habe Spaß. Der Lehrer ruft nur ab und zu, dass wir alle richtig locker werden sollen. Locker kann ich. Hier bin ich richtig. Die Frauen um mich herum sind meine Schwestern und wir bouncen fröhlich herum. In der Trinkpause (super, oder?) macht der Lehrer die Musik aus. Er erzählt von seinen "schwarzen" Freunden und dass er deshalb auch alle Witze machen darf. Er erzählt von Witzen und macht auch welche, die alle entweder sexistisch oder rassistisch sind oder beides. Dann sagt er, dass man ja heute immer politisch korrekt sein muss und ob hier jetzt jemand die Polizei sein will. Ich will schon, aber meine Schwestern lachen alle. Ich bin raus. Fortsetzung folgt.

Donnerstag, 15. März 2018

Zu (Ver-)kürzungen, Konjunktiven und - ja tatsächlich - Jens Spahn

Vor gefühlt ein bis zwei Wochen ging die Meldung zum Ausschluss von Migrant*innen durch die Tafel in Essen durch die Presse. Das Konzept, Menschen im Bezug von Leistungen nach dem SGB II und anderen 'Bedürftigen' (die Anführungszeichen sprechen nicht den Bedarf ab sondern kritisieren die Bezeichnung*) vergünstigt oder kostenfrei Essen zur Verfügung zu stellen (das ansonsten im Müll landen würde) scheint so naheliegend, dass Kritik daran fast ausgeschlossen ist. Und doch: die Aufteilung von Menschen in zwei Gruppen, diejenigen, die ihr Essen im Supermarkt kaufen und diejenigen, die an der Tafel anstehen, der Zugriff auf das Verhalten (in Konsum und auch im Sozialen) sowie die schleichende Normalisierung von Armut - einer Armut, die die Lebensgrundlage angreift - werden immer wieder kritisiert. Holger Schoneville hat dazu promoviert, Stefan Selke spricht von Armutsökonomie und verschiedene andere Sozialwissenschaftler*innen haben Stellung bezogen. Ich habe in einem Twitter-Beitrag, brav an 140 Zeichen orientiert, die Ereignisse bei der Tafel in Essen als Rassismus bezeichnet. Sicherlich hätte ich das noch differenzierter ausdrücken können, im Kern bleibt es aber für mich eine Diskriminierung von Migrant*innen - ergo auch Rassismus. Mir ist eine breite Welle von aggressiven Kommentaren begegnet, die mir vor allem zeigen: die Menschen, die sich ehrenamtlich für die Tafeln engagieren, haben ein enormes Anerkennungsdefizit und scheinen an einer Grenze der Belastung tätig zu sein, die schnell in Aggression umschlägt. Zumindest hoffe ich das. Und klar: 140 Zeichen verkürzen auf der einen wie auf der anderen Seite.

Der mir politisch nicht nahe stehende Jens Spahn hat dazu gesagt, ohne Tafeln müsse in Deutschland niemand hungern und hat damit einen Shitstorm größeren Ausmaßes losgetreten. Sicher auch wesentlich mehr Aggression als ich sie erlebt habe.

In §1 des SGB II heißt es: Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht.  Das heißt unter anderem, dass das Gesetz vorsieht, dass der Lebensunterhalt finanziell gesichert wird. Die Höhe der Leistungen orientiert sich am so genannten Regelsatz, der statistisch anhand der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe festgelegt wird. An diesem Existenzminimum werden auch Steuerfreibeträge, Unterhalt, Renten und viele andere Leistungen orientiert. Das heißt, wird das Existenzminimum angehoben, steigen auch Steuerfreibeträge und einige andere Leistungen.

Aber wie wird der Regelsatz berechnet? Laut dem Paritätischen Gesamtverband wird der Regelsatz aktuell an den Ausgaben der untersten 15% der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe orientiert, bis 2011 waren es noch die untersten 20%. Seitens des Paritätischen wird eine Anhebung der Regelsätze um mindestens 27% gefordert. Zumindest ist klar: die Festlegung der Referenzgruppe für die Regelsätze liegt in der Hand der Politik.

Wenn also die Regelsätze zu gering sind zum Leben und Menschen deshalb Lebensmittelspenden brauchen, sprich mit Hartz IV hungern müssen (und das scheint der Fall zu sein), dann erreicht die Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II vulgo Hartz IV) ihr Ziel nicht. Und wie bei allen anderen Gesetzen müsste dann etwas geändert werden, weil die Real-Evaluation zeigt, dass das Mist ist. Jens Spahn hätte also Recht, wenn er gesagt hätte, mit Hartz IV sollte niemand zu den Tafeln gehen müssen. Aber eben im Konjunktiv: Menschenwürde heißt, nicht auf Lebensmittelspenden angewiesen zu sein.

Insofern kann die Äußerung von Spahn seitens Olaf Scholz als kaltherzig bezeichnet werden - er als zukünftiger Finanzminister hat es aber in der Hand, warmherziger zu handeln. Oder zumindest weniger kaltherzig. Und an seinen Taten sollte er auch gemessen werden. Wenn aber weiterhin stillschweigend hingenommen wird, dass Menschen Lebensmittelspenden benötigen, weil sie mit den ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen nicht auskommen, dann ist das faktisch die Akzeptanz von Armut und mithin die Delegation von staatlichen Aufgaben der Existenzsicherung an ehrenamtliche Akteure. Was die mit der Würde der Menschen die dort Hilfe suchen anstellen, welche Verhaltensregeln gelten und welche nicht obliegt eben nicht mehr staatlichen Akteuren.

Das heißt umgekehrt: die Sicherung der Würde (unter anderem durch genug zu Essen) muss in staatlicher Hand liegen. Dann müsste auch ohne Tafeln in Deutschland niemand hungern und das wäre auch der gesetzliche Auftrag. Konjunktiv, wie gesagt.

*Bedürftige reduziert diejenigen auf die Bedürftigkeit. Sie sind ja immer noch Menschen, eben mit Hilfebedarf.

Donnerstag, 31. August 2017

Die Wahrheit sagen oder sich benehmen

"Ah München. Sie kommen aus München. Das ist sehr schön da!" sagt die Masseurin als sie meine Nackenwirbel knacken lässt und über meine Verspannungen seufzt. Sie hat einen leichten Akzent und deutet an, dass sie nur saisonal am Ort arbeitet. "Und stören Sie die Immigranten nicht?" fragt sie. "Welche Immigranten" frage ich, versonnen im Aromaöl-Chakra-Nebel. Und ich frage es mich dann auch wirklich, denn in München sehe ich deutlich seltener Menschen, die einen Migrationshintergrund haben könnten als in anderen Städten. Sie erklärt was von "Wellen" und von "Vielen" von "zu Vielen" und ich versuche, gar nicht hinzuhören.

Ich habe generell ein Problem mit körperbezogenen Dienstleistungen, weil mir im Moment der Behandlung meine Privilegien so bewusst sind, dass ich die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen habe. Sprich: an echte Entspannung ist ohnehin nicht zu denken, viel weniger aber daran, meiner Empörung Luft über diese Frage Luft zu machen. Ich belasse es also bei einem Lull-und-Lall: "Nee, gar nicht. Ich bin selber Migrantin und außerdem stört mich das gar nicht" (note to self: dringendst scharfe Antworten gegen blöde Rassismen lernen).

"Aaach, ja, solange die sich benehmen, habe ich auch nix dagegen" antwortet die Knetende. Mir fällt auf, dass die Masseurin vermutlich 5 KundInnen pro Tag hat, die ich in diesem Hotel auch beim Abendessen, beim Frühstück und im Pool treffe. Sie muss also entweder davon ausgehen, dass ich speziell nun eine ganz besondere Rassistin bin oder aber, dass alle ihre KundInnen von den "Immigranten" erwarten, dass sie sich benehmen. (Von Benehmen kann, by the way, bei Frühstück und Abendessen am Buffet keine Rede sein. Gerade die Privilegierten Massierten lassen beim Lachs alle Hemmungen fallen und kennen keine Freunde mehr.)

Benehmen also, da klingeln bei mir alle Glocken. Warum? Weil Beate Zschäpe in einem ihrer Statements auch darauf abgestellt hat, dass sie Menschen nach ihrem Benehmen beurteile. Richtiges Benehmen von mir wäre es, hier und jetzt die Wahrheit zu sagen, was ich von solchen Aussagen halte und was das für ein Bullshit ist, den sie mir erzählt. Wenn wir meinen, Gruppen von Menschen ein bestimmtes Benehmen abzuverlangen, damit sie akzeptiert werden, wenn wir Benehmen von Menschen unterschiedlich bewerten, je nachdem wie sie aussehen oder woher sie zu kommen scheinen, sind wir noch schrecklich weit entfernt von einer offenen Gesellschaft.

Aber, wie so oft, ich mache den Mund nicht auf, ich liege auf der Matte und suche Entschuldigungen und Erklärungen, will nicht besserwisserisch sein und keinen Streit und ziehe zerknirscht von dannen, die Ohren zwischen den Schultern nach 50 Minuten Entspannungsmassage.

Freitag, 24. März 2017

Käsefüße und andere Ontologieprobleme

Es gibt Probleme im Bereich des Zwischenmenschlichen, die zumindest unter denen in meiner Filterblase tabu sind. Man ist meist einigermaßen durchtherapiert, meint sich zu kennen, meditiert achtsam und atmet folgsam. Die Beziehungserfahrungen der Vergangenheit werden als wichtige Entwicklungsschritte angesehen und nicht als Kraftclub-Song. Wir essen gut und quälen keine Tiere. Und vor allem allem anderen würden wir niemals im Leben, nicht nachts, nicht besoffen (sorry, wir trinken ja nicht), nicht einmal im allerstillsten Kämmerlein Besitzansprüche an den signifikanten Anderen anmelden und überhaupt schon gar niemals eifersüchtig sein. Weil Eifersucht, das haben nur unreflektierte Menschen. Der Würdegehalt von Eifersucht steht ungefähr auf einer Stufe mit Käsefüßen. Eifersucht heißt, ich habe nicht das Selbstvertrauen, dass ich dem anderen schon wichtig genug bin, nicht das Vertrauen in unsere Liebe, nicht das Vertrauen in das Gegenüber und bin stattdessen das maulige, anstrengend anhängliche weinerliche und selbstmitleidige Häuflein Elend, das schon allein dadurch niemals liebenswert wäre. Insofern wahrscheinlich zu Recht eifersüchtig, denn man kann einen eifersüchtigen Menschen dann überhaupt gar nicht lieben. Jede, die schon ein Singlebörsenprofil ausgefüllt hat, weiß, dass eins schonmal nicht geht. Meine Eigenschaften: Eifersucht. Da schon fast lieber noch Untreue, weil so unabhängig und wild child.

Und doch kommt sie vor. Es gibt Menschen, die eifersüchtig sind. Ich bin eifersüchtig, wenn ich mich nicht gut fühle. Eifersucht ist ein kindliches Gefühl, der Wunsch nach Einzigartigkeit und dem ultimativen Beweis dieser einzigartigen Zuwendung. Eifersucht ist die Angst, den anderen zu verlieren. Das ist alles nicht schön - aber letztlich eine Sehnsucht. In Eifersucht kann Traurigkeit und Einsamkeit versteckt sein, die sich mit einem hässlichen Mäntelchen zeigt und nicht einfach zeigen kann, wie verletzlich eins ist.

Dass Liebe zurzeit eine der wichtigsten gesellschaftlichen Leitmotive ist, fiel nicht wenigen Soziolog*innen auf. Mein Lieblingszitat von Ulrich Beck "In den Idealisierungen des modernen Liebesideals spiegelt sich noch einmal der Weg der Moderne. Die Überhöhung ist das Gegenbild zu den Verlusten, die diese hinterläßt. Gott nicht, Priester nicht, Klasse nicht, Nachbar nicht, dann wenigstens Du. Und die Größe des Du ist die umgedrehte Leere, die sonst herrscht." (Beck, Risikogesellschaft, 1986, S. 188) zeigt, welchen Stellenwert die Liebe genießt. Und angesichts dieser Bedeutung ist es ja fast widersinnig, den Perfektionsgrad der ultimativen Nichteifersucht zu verlangen. Denn wenn die Liebe als so wichtig konstruiert wird, dann ist der Verlust dieser Liebe ja wirklich ein Drama. Die Konstruktion von Eifersucht als einem negativen Gefühl ist demgegenüber auch Ergebnis dieser ultimativ selbstlosen Liebesvorstellung. Und erteilt denen, die eben nicht eifersüchtig sind, gleichzeitig den moralisch erhabenen Status. Das führt dazu, dass diejenigen, die unter dem Anflug des Habenmüssenundniemehrloslassenfürmichallein-Gefühls sich nicht nur schlecht fühlen wegen ihrer Verlustangst, sondern auch noch, weil sie moralisch im Nachteil sind. Und vielleicht wäre es da auch angemessen, sich nicht zu erheben, das Gegenüber sein zu lassen mit den eigenen Schwierigkeiten. Seien das Käsefüße oder anderer Unbill des täglichen Lebens. Verständnis zu zeigen und auch loszulassen, nämlich von dem großen Ideal, dass immer vorbildlich und korrekt geliebt werden muss. Es ist nämlich nicht nur schwierig mit den eifersüchtigen Menschen. Es ist auch schwierig mit den uneifersüchtigen.



Donnerstag, 26. Januar 2017

Erklär mir mein Leben im Dschungel und außerhalb - irgendwie noch immer Team Gina Lisa

Als wir nach Hause kommen und noch nicht schlafen gehen wollen, nötige ich den Mitseher, dass wir endlich mal Dschungelcamp sehen. Die social media Elite und auch Grimme haben es längst als sehfähiges Format beurteilt, da will ich doch in nichts nachstehen. Naja.

Wir schalten zu als gerade eine Gruppe von mir unbekannten Männern gegenüber den anwesenden zwei Frauen Kader Loth und eine mit Zöpfchen ziemlich giftig ist. Sie wirken bedrohlich, schimpfen und es hat scheinbar mit Zigaretten zu tun. Kurz darauf muss eine Person das Dschungelcamp verlassen (ich bin nicht sattelfest in Spielregeln aber es hat wohl mit ZuschauerInnenanrufen zu tun... - da übrigens nebenbei: auf den Jacken der TeilnehmerInnen stehen Telefonnummern und der Hinweis, dass es aus dem Mobilnetz "viel teurer" ist. An Unspezifik kaum zu überbieten.). Die Verlasserin ist Gina Lisa, die ich das letzte Mal im TV gesehen habe, als sie bei Heidi Klum lernte, wie man sich als angepasstes Meeedchen zu verhalten hat. Ich erinnere mich an eine ziemlich lustige Frau, die herumgrölte und die Autorität von H.K. doch zumindest ansatzweise untergraben konnte. Gefiel mir irgendwie. Sie wirkte selbstbewusst und mutig. Diese selbstbewusste Frau hat man in der Szene, als sie das Camp verlassen musste, kurz gesehen als sie eine Zigarette geraucht hat. Wichtig für das Folgende ist, dass sie beim Verlassen ihr Vertrauen in einen jungen Mann namens 'Honey' äußerte und ihn zum Sprecher ernannte.

Als sie wieder im "normalen" Leben ankommt, trifft sie einen jungen blonden Mann, der offenbar ihr Manager ist und sofort mit ihr eine Form der Manöverkritik übt. Sie habe sich von besagtem 'Honey' (srsly? Ist das heutzutage ein Name...?) hinters Licht führen lassen, damit dieser in ihrem Rampenlicht stehen dürfe und deshalb sei sie nun raus aus dem Camp. Gina Lisa wirkt bedrückt und kleinlaut, stimmt dem "Manager" (auch so ein Beruf...?) zu und sagt "Du hast Recht, es stimmt. Ich ziehe einfach so negative Leute an immer." Ich muss in dem Moment fast weinen, weil Gina Lisa tief verstört und verunsichert wirkt. Ihre eigene Einschätzung von Menschen ist unsicher, sie lässt sich sofort von anderen überzeugen und sucht Erklärungen für das, was ihr widerfährt. Es muss natürlich unklar bleiben, ob sie "Honey" je vertraut hat - das ist Privatfernsehen. Was mich berührt hat, ist die Verunsicherung, die ich von Frauen kenne, die Übergriffe oder tiefe Vertrauensbrüche erlebt haben. Vor allem dann, wenn Übergriffe im Privatraum stattfanden. Wem kann ich noch vertrauen? Wie schätze ich Menschen ein? Warum passiert sowas mir?*

Jetzt gehorcht sie den Ansagen des "Managers", ganz wie es die Meedchen von Heidi Klum tun sollen. Sie vertraut ihrer eigenen Einschätzung nicht und sucht Erklärungen für ihr Leben, die sich auf sie selbst beziehen "Ich ziehe immer negative Menschen an" - heißt übersetzt: Ich bin Schuld an dem, was mir passiert. Diese Schuldgefühle haben auch viele Überlebende von sexualisierter Gewalt. Es scheint dann die einzige Erklärung zu sein. Insbesondere dann, wenn es nicht zu einer strafrechtlichen Verfolgung bzw. Verurteilung kommt. Ich kann diesen Einzelfall nicht beurteilen. Ich bin aber entsetzt über die Ausschlachtung einer offensichtlich tief verunsicherten jungen Frau...

Wir schalten den Fernseher aus.


*Unabhängig davon, ob das was im "Fall Gina Lisa" (oder nennen wir es "Fall Sebastian und Pardis"?) verhandelt wird eine Vergewaltigung war oder Konsens wurde immerhin ein Video von ihr bei sexuellen Handlungen öffentlich gemacht. Das ist ein tiefgehender Vertrauensbruch, der eine Krise nach sich ziehen kann.

Mittwoch, 4. Januar 2017

Sei wie ich!

Lockerroom Talk:
"Ich mag sie zurzeit nicht und sie mich auch nicht. Kennst Du eigentlich einen guten Hundetrainer?"

"Hm. Was soll denn trainiert werden, was ist denn Dein Ziel?"
"Also weißt Du, sie soll sich einfach mehr mit mir identifizieren! Sie ist so eigen! Also sie ist voll gut erzogen, aber eben so eigen. Und ich hätte gern, dass sie sich einfach mehr mit mir identifiziert."
"Naja, ich mag Eigenheit eigentlich..."

"Ja, ich auch, ich liiiiiiieeebe sie dafür. Sie ist halt eine ganz besondere Rasse, die wurden zum Jagen gezüchtet. Und jetzt ist sie einfach immer zu wach... Da muss sie dran arbeiten! Also, dass sie eben mehr so mit uns trottet und so."