Mittwoch, 20. November 2013

Guter Hoffnung

In meinem erweiterten Bekanntenkreis ist sukzessive Fortpflanzung ein regelmäßiges wie auch gehäuftes Ereignis. Immer wieder isst eine am Tisch keinen Käse, trinkt keinen Alkohol oder wird bleich bei Zigarettenrauch. Typische Anzeichen - und die Spekulationen häufen sich. Es gibt nun, abgesehen von der Ehe, wenig private Lebensereignisse, die stärker mit Mythen behaftet sind als die Schwangerschaft einer Frau.

Angefangen mit dem Tipp, sich auf einen Stuhl zu setzen, auf dem vorher eine schwangere Frau saß, um selbst schwanger zu werden (drum Augen auf bei der Sitzplatzwahl!!!) über die angeblichen Essgewohnheiten, den Zeitpunkt, zu dem die nahende Geburt verkündet wird (und vor allem wem: Arbeitgeber, Partner, Freunde, Eltern? in jedem Fall frühestens nach drei Monaten alles andere bringt ganz klar Unglück) und ganz allgemein bis hin zu den Dingen die man tun und nicht tun darf und soll.

All das macht es fast unmöglich, die richtigen Worte zu finden, um zu sagen, dass da ein Kind kommt, vielleicht. Die Regel, über bevorstehende Schwangerschaften erst zu berichten, wenn drei Monate vergangen sind, ist der Tatsache geschuldet, dass zuvor häufiger unvorhersehbare Enden der "guten Hoffnung" geschehen. Ich frage mich allerdings, warum das niemand wissen darf? Wenn eine Frau später eine "Fehlgeburt" erleidet, wird es auch öffentlich. Als wäre das Ende einer Schwangerschaft nach 10 Wochen weniger schlimm und als dürfe darüber nicht gesprochen werden. Ariel Levy hat ein sehr berührendes Essay über die zu frühe Geburt und den Tod ihres Kindes im fünften Monat ihrer Schwangerschaft geschrieben und auch über ihren Umgang mit Trauer, Traurigkeit, Verlust. Gerade deshalb denke ich, dass es doch egal ist, ob man nach dem Test mit einem T-Shirt mit aufgedrucktem Ultraschall rumläuft oder bis kurz vor Beginn des Mutterschutzes nur noch Kaftan trägt.

Bleibt noch die Frage, wie es ansprechbar wird. "Ich bin schwanger"  nuschelte eine Kollegin über ihr Mittagessen gebeugt. Wir aßen weiter. Kauend fragte ich plötzlich "was?!"

"Ich erwarte ein Kind", "Wir werden Eltern", "Ich werde Mutter", "Ich bin guter Hoffnung": Jeder Satz bringt einen unterschiedlichen Teil zum Vorschein und impliziert gleichzeitig so viel. Es gibt kein Schwangerschaftemoticon im Smartphone, wahrscheinlich aus gutem Grund. Die Entscheidung für ein Kind ist gleichermaßen ein höchst intimes, privates und gleichzeitig öffentliches Ereignis. Es sollte jeder und jedem überlassen bleiben, wie und worüber diese Situation definiert wird.

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