"I couldn't imagine travelling without him" sagt die junge Wienerin zur Nachbarin aus Singapur über ihren Freund und Begleiter, der gegenüber schläft. Die S-Bahn fährt vom Flughafen ab und unter Bewunderungsbezeugungen werden Reiseerfahrungen und künftige Ziele ausgetauscht. "I wouldn't travel to South America alone, that's too dangerous." Sie pausiert. "As a woman" fügt sie hinzu und zeigt auf sich. Ich finde, sie sieht ziemlich tapfer aus und außerdem scheint sie deutlich stärker zu sein als ihr schlummernder Reise- und offenbar Lebenspartner. Die Gesprächspartnerinnen nicken eifrig.
Ich versuche zu schlafen und höre meine Sitznachbarin sprechen. "...Jura oder so zu studieren. All diese Prüfungen und das dauert so lange. Ich weiß nicht. Vielleicht will man ja auch Kinder. So als Frau." Ich öffne die Augen und wage einen verstohlenen Blick neben mich. Sie ist etwa Mitte 30 und ich finde den Gedanken toll, dass sie noch ein Studium anfangen will.
Ihr Gegenüber antwortet "Ja, also da musst Du Deine Tochter doch auch mitentscheiden lassen, oder?" "Aber ich weiß nicht, ob ich das erlauben soll, zu studieren. Ich meine, sie ist ja so jung und vielleicht will sie ja auch heiraten." Ich verfolge das Gepräch weiter. Die Tochter ist 13, höre ich. Eine zweite Tochter jünger. "Aber ich zwing sie jetzt zum Verteidigungskurs, sie soll ja Selbstbewusstsein lernen. Sonst lass ich sie nicht allein S-Bahn fahren" fährt die Mutter fort und steigt unter stetigem Wiederholen von Stereotypen in einem Ort aus, der mit -ing endet.
Als Frau steige ich in der Innenstadt aus, schleppe meine Tasche allein in die nächste Bar und bestelle ein Herrengedeck.
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